Da ist also dieser Spot, produziert von ein paar Studenten „einer Filmhochschule“, der seit drei Tagen im Netz ist und der gerade beginnt – getragen von begeisterten einzeiligen Kommentaren – viral verbreitet zu werden. Und in der Tat, der Spot macht es einem leicht, ihn zu mögen. Stilvoll produziert und am Ende gewinnt scheinbar das Gute, denn Adolf Hitler wird von einem Mercedes überfahren und getötet, von bevor er sein furchtbares, unmenschliches Werk beginnen kann. Adolf Hitler wird in dem Spot getötet, als er ein Kind ist. Und korrekterweise muss man sagen: Er wird hingerichtet. Denn er Spot endet mit dem werbewirksamen Spruch, „Erkennt Gefahren, bevor sie entstehen.“
Ich kann und möchte die Begeisterung für diesen Spot nicht teilen. Und so unpopulär, wie das sein mag: Mich widert dieser Spot an und ich bin entsetzt, wie aufgeklärte Menschen ihn gut finden können. Denn dieser Spot, verkauft für eine billige Pointe die Grundrechte, an die ich glaube und auf denen unsere Gesellschaft basiert.
Der Artikel 2 unseres Grundgesetzes beschreibt die Unverletzlichkeit des Menschen: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“
Hier ist es aber ein Auto das eingreift, das über das Recht zu leben bestimmt, ein Automatismus, der selektiert, was gut und was gefährlich sein soll. So ein bisschen wie die NSA, die alle Kommunikation von uns überprüft und natürlich nur das Gefährliche heraus filtert.
Dieser Vergleich ist nicht so absurd, wie man zunächst denken mag, denn beiden liegt die selbe Idee zu Grunde: Das Böse verhindern, bevor es passiert. Aber tatsächlich funktioniert das nicht. Jedenfalls nicht so. Nicht durch einen Automatismus und nicht durch Maschinen.
Wir müssen uns mit dem Bösen auseinandersetzen. Als Gesellschaft tragen wir dazu bei, dass das Böse zu fördern oder in Bann zu halten.
Hitler hatte Erfolg, weil er Gehör gefunden hat mit seinen kranken, widerwärtigen und menschenverachtenden Ideen. Weil er getragen wurde von einer Gesellschaft, die ihn ermächtigt hat. Er war kein Einzeltäter. Er hat viele Helfer und einen Großteil der Bevölkerung, der seine Taten schweigend mitgetragen hat.
Dieser Spot negiert diese Tatsachen und macht Hitler zu einem Einzeltäter. Einem, der das Unheil magisch über uns gebracht hat und den man deswegen besser schon als Kind hätte töten sollen. Was ist der Schluss daraus? Lass uns den nächsten Hitler finden und schon als Kind – als Unschuldigen töten? Lass uns das von einer Maschine erledigen, damit wir uns die Hände nicht schmutzig machen?
Hey, der Spot ist witzig, mag man einwenden. Ein Spot eben. Lass mal gut sein.
Nein, das ist nicht witzig, nicht brilliant, nicht hervorragend (wie in Kommentaren zu lesen ist). Die Filmstudenten haben einen Werbespot inszeniert, in dem ein Kind überfahren wird, und diese Tat wird als positiv und vorteilhaft dargestellt. Das ist widerwärtig und menschenverachtend. Ich hoffe, dass die Studenten dafür auf das Schärfste von ihrer Filmhochschule verwarnt (und bitte aufgeklärt) werden. Denn ihnen fehlen gesellschaftliche Verständnis, ein Wertkanon, Sensibilität und Augenmaß. Selbstjustiz und Mord dürfen nicht beworben werden. Das ist nicht witzig. Und schon gar keine Werbung für eine Marke. Wäre ich Mercedes, ich würde auf das Schärfste gegen diesen Spot vorgehen.